Bistrochefin sein? Juhu!

Ein Bistro eröffnen? Das klingt romantisch. Tatsächlich ist es Knochenarbeit. Bistrochefin zu sein sieht nur in Hollywoodfilmen romantisch aus. In einem kleinen Bistro in zweiter Reihe, fernab von Laufkundschaft und noch ohne eigene Werbung ist es Arbeit, die an die Substanz geht. Angefangen davon dass am Anfang Hürden stehen wie Hygieneprotokolle, diverse Lebensmittelverordnungen, die zu kennen und einzuhalten sind, Vorschriften des Arbeitsrechts, Verwaltung, Steuern & mehr.

Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gearbeitet. Und dennoch bleibt unfassbar viel liegen. Vom Streichen des Innenraums, dem steuerberaterkonformem zügigem Abheften der Beläge, Einrichtung eines TSE-konformem Kassensystems, Installation von Kartenzahlung. Es wäre so schön wäre es einfach. Doch dann kommt kein Support vom Hersteller des Kassensystems, zwischendurch muss das Team angeleitet und der Laden am Laufen gehalten werden.

Aller Anfang ist schwer? Vielleicht. Aber ein Anfang in dem sofort Kunden zufrieden gestellt werden wollen, da sie sonst unzufrieden das Lokal verlassen und im Zweifelsfall nicht nur nicht wiederkommen sondern auch noch anderen Kunden davon abraten ist besonders schwer. Eine einmal online gestellte Wochenkarte wird, wenn sie so wie unsere erste Wochenkarte, schlecht konzipiert ist zur Fußfessel, die bis zum bitteren Ende der Woche durchgehalten werden muss…

Im Betrieb ist keine Zeit zum Üben oder Verbessern der Abläufe ohne im Zweifelsfall „Realverluste“ zu machen. Und der Versuch über ständige Verbesserungen der Karte, die wir am Anfang noch vornehmen um Abläufe, Qualität der Produkte und Kundenwünsche aufeinander abzustimmen ist für manch einen Kunden auch eine Herausforderung mangels Planbarkeit. So gehe ich dann als Bistrochefin nicht jede Nacht schlafen und manchmal wache ich morgens nicht auf sondern lege den Stapel, den ich bearbeitet habe bei Seite und starte ohne Schlaf in den nächsten Tag in der Hoffnung dass sich die Arbeit lohnt und die Kunden heute zufrieden sein werden.

Menügestaltung: „Ja was gibt es denn heute“?

Ohne professionelle Gastronomie-Erfahrung ein Bistro zu eröffnen ist schwieriger als gedacht. Wir haben uns über vieles Gedanken gemacht. Technokratische Hürden, die vorher zu nehmen sind. Und dann kam sie. Die größte Hürde von allen: Die Menügestaltung. Wohlmeinende Ratgeber halfen uns und wir standen in einem Labyrinth aus Ratschlägen, Fremdmeinungen und eigener Unsicherheit.

Somit stellt sich noch vor der Frage „Was gibt es denn heute?“ die Frage: Auf wen hören wir bei der Beantwortung dieser Frage. Hören wir auf uns, die wir KEINE professionelel Gastro-Erfahrung haben? Hören wir auf diejenigen, die es gut meinen und Erfahrung vorgeben? Oder hören wir auf diejenigen, die Druck auf uns ausüben damit das Bistro so ist wie sie es wollen?

Und so beschäftigte vor allem mich die Kernfrage: Menügestaltung. Wie machen wir das? Ich bin von vielen Seiten dazu gedrängt worden „Deftiges“ ins Programm zu nehmen, insbesondere Pommes & Currywurst wurde mir nahe gelegt solle es sein. Also haben wir Currywurst Pommes ins Sortiment genommen. Mit dem Erfolg dass wir – wie es im Nachhinein scheint – niemanden befriedet haben. Die Pommes schmeckten – wenn sie selbst gemacht waren – denen nicht, die die klassischen „Takeaway-Pommes“ erwarteten. Und diejenigen, die die hausgemachten Pommes mochten wurden wir auch nicht gerecht weil wir es nicht hinbekamen sie knackig zu bekommen ohne sie zu sehr zu bräunen. Denn da ist ja die Acrylamidverordnung, die einzuhalten ist… Also keine schwarz-braunen Pommes mit ordentlich Crunch! Puh…

Dann fragen wir uns: Was spricht dagegen „einfach so“ beide Pommesarten anzubieten? Ja klar, gerne dachten wir uns. Und dann merkten wir: Wie hoch soll denn unser Personalschlüssel sein? Wer bezahlt uns denn das? Es ist eben nicht so einfach „mal eben so“ Logistik aufzublasen, Lagerhaltung, Warenbestand, Vorbereitung & mehr anzupassen…

Also haben wir uns besinntauf die alte Binsenweisheit: „Schuster bleib bei deinen Leisten!“ Wir sind kein Frittierbetrieb. Keiner von uns im Team kann das gut. Wir sind Köche. Wir kochen leidenschaftlich gern frisch, abwechslungsreich und mit wenig Fett. Ergo: Zunächst einmal keine Pommes und keine Currywurst.

Dafür gibt es jetzt Gratins (mit Fleisch & Veggie), mehr Frisches wie täglich Ofenkartoffel mit Sour Cream und/oder Matjes. Wir nehmen auch wieder Nudelsalat UND Kartoffelsalat ins Sortiment und machen stattdessen mehr Frikadellen in der Hoffnung dass wir unseren Gästen damit eine gute deftige Alternative bieten können zur Currywurst mit Pommes.